Ende letzten Jahres habe ich eine neue Leidenschaft entdeckt, und eigentlich erstaunt mich daran vor allem eines: Warum bin ich erst so spät darauf gekommen? Den seit vier Jahren stelle ich jeden Monat sechs neue Blogs vor und warum eigentlich keine Podcasts? Denn die habe ich schon Jahre auf dem weiteren Schirm, erst seit einigen Monaten aber regelmäßig auf den Ohren: Beim Spazierengehen, Einkaufen, beim Joggen und auf dem Weg zur Arbeit. Ich höre Hintergrundinformationen zu Trump und Bannon, Debatten über Fakenews, New Work und Datenschutz, erfahre was andere so erleben und bekomme mit wie Newcomer versuchen mit ihrem Podcast Geld zu verdienen.
Tag für Tag werden es mehr und mehr Podcasts, derzeit ebbt die Welle nicht ab. Es ist aber auch zu schön, sich von den Themen und Gesprächen anderer berieseln zu lassen. Ein Nachteil hat es aber schon, nicht alles was sich Podcast nennt, muss unbedingt ein Podcast sein. Entweder wird der Sinn, das Thema oder der Zweck verfehlt und es stellt sich die Frage: Muss dieser Podcast sein?
Es gibt aber auch wunderbare und ja – auch großartige – Podcasts. Meine ganz persönlichen Favoriten möchte ich euch heute einmal vorstellen. Ob es auch eure werden? Kann sein, aber jeder hat seinen eigenen Geschmack. Daher gibt es an den nächsten Dienstagen im Dezember jeweils sechs weitere Neuvorstellungen, die sich dadurch auszeichnen, dass ihr sie gleich per „Trailer“ persönlich kennenlernen könnt. Vielleicht ist hier der eine oder andere Podcast dabei, denn ihr auch in Zukunft hören wollt.
Lage der Nation
Polit-Podcast mit dem Deutschlandfunk-Journalisten Philip Banse und dem Juristen Ulf Duermeyer. Kenntnisreicher Hintergrund, Analyse zum aktuellen Geschehen. Ich schätze besonders die Tiefe, die vielen Details und besonders die juristische Perspektive auf die Dinge, die im Gespräch auch für Laien gut verständlich gemacht wird. Spannend, den beiden zuzuhören, die sich offenbar sehr gut vorbereiten und gute Links zum jeweiligen Podcast ergänzen.
Lila Podcast
Ebenfalls ein Podcast zum aktuellen Geschehen, hier mit feministischer Perspektive auf die Themen. Susanne Klingner, Katrin Rönicke und Barbara Streidl, Journalistinnen / Autorinnen, sprechen über „aktuelle Themen, Debatten und interessante Gedanken, die aufgefallen und hängengeblieben sind“. Erhellend, den „Lila Podcast“ und „die Lage der Nation“ mal im Vergleich zu hören – jeweils anders und beide gut. Der Lila Podcast wird herausgegeben von Frau Lila, einer feministischen Initiative, die Frauen vernetzt und Bildungsangebote, vor allem für die digitale Welt, macht.
Wir müssen reden
Max von Webel, der in den USA lebt und als Softwareentwickler bei Facebook arbeitet, und der Internettheoretiker Michael Seemann aus Deutschland treffen sich ca. zweimal im Monat zum Gespräch und reden ausgiebig, recht frei und intuitiv über das, was im Netz passiert – mit einer kulturell-politischen Perspektive. Beide stecken recht tief in aktuellen Netzdebatten und haben meist eine klare Meinung. Die muss man nicht immer teilen, um von diesem Podcast profitieren zu können.
Systemfehler
Einer der Podcasts, die der zu Anfang des letzten Jahres gegründeten professionellen Podacast-Plattform Viertausendhertz angehören. Der Autor Christian Conradi ist Gründer von Viertausendherz, Redakteur bei Deutschlandradio und Producer. Bei Systemfehler geht er Fehlern, Defekten und Abweichungen in unserer Gesellschaft nach und fragt, wie viel Platz dafür eigentlich bleibt, wenn in sämtlichen Bereichen nach Perfektion gestrebt wird. Mir gefällt besonders der sensible und gute Umgang mit den Gästen, die unaufgeregte Art von Christian Conradi und die ganz unterschiedlichen Themen, die er unter dieser Fragestellung aufspürt, von Künstlicher Intelligenz bis hin zum Thema Inklusion. Unter den Podcasts von Viertausendhertz gibt es sicher noch weitere Entdeckungen zu machen, und auch das Konzept der Plattform möchte ich mir noch mal genauer ansehen.
Schroeder & Somuncu – Der Podcast
Florian Schroeder und Serdar Somuncu sind bekannt durch ihre Meinungsfreudigkeit bei radioeins und im rbb-Fernseh-Programm. Einzeln sind sie schon die Wucht, aber im Doppel und mit geballter Kraft unterziehen sie die politisch-gesellschaftliche Großwetterlage einer handfesten Analyse, die man so noch nie gehört hat. Dabei gehen die beiden Satiriker immer einen Schritt weiter als die anderen und denken einen Gedanken mehr. Denn mit der einen entscheidenden Frage, die so nie gestellt wurde, legen sie den Finger in die Wunde. Schroeder & Somuncu – das neue Dreamteam des Polittalks.
Ok, America?
Ist alles Ok, America?
Klaus Brinkbäumer und Rieke Havertz begleiten in ihrem gleichnamigen Podcast die Entwicklung der USA. Sie sprechen über Bidens Amerika, die politischen Machtspiele von Washington, aber auch die amerikanische Kultur, den Alltag, die Menschen und die gesellschaftlichen Probleme, und sie analysieren das transatlantische Bündnis. Rieke Havertz ist US-Korrepondentin von ZEIT ONLINE. Klaus Brinkbäumer ist Programmdirektor des MDR und hat zuvor als Autor und Korrespondent aus den USA berichtet. Gemeinsam moderieren sie seit mehr als einem Jahr den Podcast “OK, America”, der nun als Kooperation von ZEIT ONLINE und MDR AKTUELL erscheint.
Wie es mit den Podcasts hier im Blog weitergeht
Je intensiver ich gehört habe, desto bewusster wurden mir die großen Vorteile – so ist diese Liste mit guten Gründen für Podcasts entstanden, die von nun an in einer eigenen „PodcastRoll“ links in der Seitenleiste geführt wird. Außerdem gibt es im nächsten Jahr alle 8 Wochen weitere Neuvorstellungen.
Podcasts lassen sich überall und jederzeit hören. Mit dem Smartphone haben wir sie quasi immer in der Tasche – über die Apps lassen sich abonnierte Podcasts automatisch aktualisieren und – einmal heruntergeladen – auch offline hören.
Eines der für mich ausschlaggebenden Argumente für Podcasts ist, dass man sich bewegen kann, während man sie hört. Lernpsychologen werden vermutlich schon untersucht haben, ob man Informationen nachhaltiger aufnehmen kann, während man körperlich aktiv ist. Ich glaube ja – und habe den Eindruck, das, was ich gehört habe, besser zu behalten, als wenn ich es gelesen hätte. Was noch mehr zählt: Es ist mir vor allem nach viel Arbeit am Schreibtisch ein großes Bedürfnis, mich zu bewegen. Lesen beim Joggen oder Spazierengehen funktioniert einfach nicht – Podcast hören dagegen sehr gut.
Wie Podcasts bewertet werden
Die Diskussionen über Podcasts starten in der Regel erst dann, wenn die Nutzer*innen sie gehört haben, auf den zugehörigen Websites in den Kommentaren. Über Texte im Netz dagegen wird oftmals diskutiert, ohne dass alle Beteiligten sie ganz oder überhaupt gelesen hätten. Auch Hatespeech oder Trolle scheinen eher keine Probleme zu sein. Beides ist mir zumindest in den Kommentaren der Podcast-Websites noch nicht begegnet.
Podcasts zeichnet eine Form von „Unprofessionalität“ aus, im positiven Sinne des Wortes, dass es keine standardisierten Beitragslängen gibt, keine zurechtgeschnittenen Statements, dass Pausen beim Reden genauso erlaubt sind wie unfertige Sätze und Slang. Einige Podcaster*innen schätzen es explizit, im Podcast Gedanken entwickeln und zur Diskussion stellen zu können, die vielleicht noch nicht zu Ende gedacht sind, hier aber ihren Raum finden und im besten Fall weiterwachsen und reifen können.
Ein weiterer guter Effekt ist, dass auch Menschen, die beruflich nicht journalistisch arbeiten, ans Mikro kommen, ihre fachliche Kompetenz einbringen oder einfach mal eine andere Herangehensweise an Themen: als Autorin, Juristin etc.. Im klassischen Radio sind sie meist nur als Gäste zu hören, in Podcast werde sie zu Macher*innen. In Podcasts kommt das immer mal wieder vor, genau wie der Hinweis an die Hörerschaft, man müsse sich erst noch einmal schlau machen und werde das Thema noch einmal aufgreifen oder in den Kommentaren Hinweise geben. Fehler sind erlaubt – Hinweise von Hörer*innen gewünscht. Es wird erst gar nicht der Eindruck erweckt, hier sitze ein allwissender Sender von gesicherten Informationen am Mikrofon.
Das macht die Besonderheit von Podcasts aus, aber das macht es für mich als Hörer auch schwer, die guten von den schlechten zu unterscheiden – jedenfalls nach eigenen Vorstellungen. Jeder hat da andere Favoriten und deshalb werden hier im Blog die Podcasts rein neutral vorgestellt. Entscheiden müsst ihr selbst.
In der nächsten Woche geht es weiter mit Neuvorstellungen, die eben die Besonderheit haben, sich in einem kurzen Trailer selbst vorzustellen. Also, bis nächsten Dienstag!