Wer gibt schon gerne zu, dass er gelegentlich auf Ausreden zurückgreift? Zu pauschal verbindet man mit ihnen die gemeine Lüge. Tatsache ist jedoch, dass die richtige Entschuldigung – und bei diesem Begriff ist’s einem schon wohler ums Herz – schon oft zur Rettung einer Situation beigetragen hat.
Der Einwohner hierzulande schaut tagtäglich mehreren Ungeheuern ins Auge und muss schon morgens beim Aufstehen bis zu den Zähnen bewaffnet sein. Sprungfedern unterm Schuhwerk helfen ihm, den täglichen Fußfallen aus dem Weg zu hüpfen; Schlagringe beugen dem ambitionierten Widersacher vor, der mit “Biss” jede fremde Versagensquelle aufspürt. “Eine gute Ausrede ist drei Batzen wert”, sagt der Volksmund. Und entsprechend strengt denn auch manch einer seine Fantasie an, wenn es gilt, sich mittels einer Ausrede Unannehmlichkeiten zu ersparen.

„Komm mir bloß nicht wieder mit deinen faulen Ausreden!” empfängt Britta den jungen Mann wütend, der da mit sichtlich zerknirschter Miene auf sie zusteuert. Holger ist wieder einmal zu spät zum Rendezvous erschienen, und – um ganz ehrlich zu sein – er hat sich tatsächlich schon eine einleuchtende Erklärung zurechtgelegt, so etwa: „Ich konnte meinen Autoschlüssel zunächst nicht finden. Stell dir vor, den hatte ich in der Jeans gelassen, und die steckte in der Waschmaschine und…” Dabei hatte er mal wieder die Zeit vertrödelt – war, wie man so schön sagt, „nicht in die Hufe gekommen”. Doch das brauchte er Britta ja nun nicht auf die Nase zu binden. Aber ob sie ihm das mit dem Autoschlüssel glauben würde?
Es kann beispielsweise, wie hier aus reiner Vergesslichkeit passieren, dass eine Busfahrt ohne sogenannten “Gültigen Fahrausweis” durchgeführt wird. Und dann bekommen die Kontrolleure zu hören: “Ich dachte, man zahlt erst beim Aussteigen” oder “Der Fahrausweis steckt noch im Automaten – am Bahnhof!”. Abgedroschen sind in diesem Zusammenhang Ausreden wie:
“Ich hatte meinen Fahrausweis im Mund. Wie Sie ‘Kontrolle’ gesagt haben, habe ich vor lauter Schreck den Fahrschein verschluckt.”
Besser, aber lebensbedrohender sind da schon die Ausreden, die sich die Gerichtsvollzieher vor beabsichtigter Pfändung anhören müssen: “Wenn ich die Raten für meinen Mercedes abziehe, die Hypotheken, meinen Schrebergarten und das Tennis-Nachwuchstraining von meinem Großen, müsste ich mir einen Strick nehmen. Mein Leben liegt in ihren Händen.” oder “Hören Sie, ich habe Familie, pfänden Sie lieber nicht, sonst stürze ich mich vom Teppichrand!”.

Da ergeht es der Verkehrspolizei schon besser. Deren ertappte Verkehrssünder sind oft begabt im Erfinden von Ausreden, was ihnen allerdings meistens nichts hilft. Eine Münchner Büroangestellte beispielsweise erschien zu spät zur Arbeit und erklärte: „Ich hatte die Maler. Die haben den Türrahmen so dick mit Farbe verkleistert, dass ich die Tür nicht aufkriegte.” „Oh, Verzeihung, ich habe den Kontostand mit dem Datum verwechselt“, erklärte ein Sparkassenkunde, der drauf und dran war, sein Konto bis weit über die erlaubte Grenze zu überziehen. Ingenieur Bernd aus Düsseldorf kam erst weit nach Mitternacht von einer geschäftlichen Besprechung nach Hause und sagte als Erklärung zu seiner Frau: „Ich bin im Taxi eingeschlafen“. Friedrich B. aus Köln hatte die Klempnerrechnung nicht bezahlt. Seine Frau schrieb: „Ich habe meinen Mann überfahren. Er hat beide Arme gebrochen und kann keinen Scheck ausschreiben.”
Recht begabt im Erfinden von Ausreden – was ihnen allerdings meistens nichts hilft – sind auch immer wieder auf frischer Tat ertappte Verkehrssünder. Ein Berliner Student, der bei Rot über die Kreuzung gerollt war: “Vor mir fuhr ein riesiger Möbelwagen mit Anhänger. Der Sog war so stark, dass ich über die Kreuzung gezogen wurde.” „Ich hatte Angst, dass mein Tank gleich leer ist“, entschuldigte ein Temposünder in Dortmund seine rasante Fahrt. Und eine etwas zu forsche Frankfurter Lenkerin erklärte: „Ich fahre immer zu schnell, denn ich bin auf Diät gesetzt.“
Ausreden gebraucht wohl jeder einmal. Und nach Ansicht der Psychologen sind sie aus dem menschlichen Miteinander nicht mehr wegzudenken. Denn der Mensch ist nicht unfehlbar, doch er mag sich das kaum zugestehen. Daher gehören Ausreden selbstverständlich zu unserem täglichen Leben. Und es gibt natürlich Mitmenschen, die gebrauchen Ausreden, die so auffällig sind, dass man sie ihnen beim besten Willen nicht glauben kann. Da gab es nachts um halb elf den jungen Mann, der eine Lederjacke mit Preisschild trug. Auf die Frage der Polizei, wo er die herhabe, antwortete er: „Die leihen die im Kaufhaus nachts aus!“

Jene, die glauben, perfekt zu heucheln, sprich: sich rauszureden, senden manchmal entlarvende Signale aus. Psychologen stellten Merkmale zusammen, an denen man erkennt, dass einer lügt: Die Stimme ist höher als sonst. Der Schwindler gibt kurze Antworten und stottert häufig. Er meidet den Augenkontakt, blinzelt oder zwinkert zu vertraulich. Und was macht man, wenn der oder die andere das verräterische Zwinkern ihrer Augen bemerkt hat und gerade anhebt, Sie der Notlüge zu überführen? Tja, dann bleibt Ihnen nur noch die Kapitulation, das Geständnis der vollen Wahrheit – oder eine weitere Ausrede: “Du entschuldige, mir ist da gerade was ins Auge geflogen…”