
Vorgänge, Akten, Registraturen und Archive, Mitzeichnungsrechte und Anweisungen – sie gelten als Metaphern für die Welt der Büros. Sie signalisieren eine ganz besondere Sinnlichkeit des Handelns – fast so etwas wie ein Naturgesetz.
Ältere Vorgesetzte bekommen gerne Glanz in die Augen, wenn sie von ihrer Ausbildung erzählen. Sie nehmen dann den Auszubildenden oder die neue Kollegin gerne einmal zu Seite und referieren aus den Tagen, als man der Welt noch zwischen Aktendeckeln habhaft werden konnte. Gute alte Zeit?
Bilder werden lebendig: von Stehpulten und ziegenbärtigen Männern mit Ärmelschonern und Tintentassen).Wer Ärmelschoner trug, musste schreiben, wer in feinem Zwirn darauf verzichten durfte, war Chef, war Autorität, war ein höheres Wesen. Der Blick war streng, die Atmosphäre ernst. Preußische Obrigkeit. In den Bureaus des 19. Jahrhunderts arbeiteten Sekretäre, Registraturen, Kanzlisten und Kopisten, die die Schriftstücke per Hand vervielfältigten. Die Organisation nach dem Büro-Prinzip war bereits eine Revolution, die nur gegen allergrößte Widerstände durchzusetzen war. Fiel es doch allzu schwer, sich von dem Bewährten, was Historiker als „Kollegialsystem” bezeichnen, zu verabschieden.
Die Städte wuchsen und mit ihnen die Büros mitsamt dem Personal. Schreiben, Mitteilen, Rechnen und Ablegen. Die entscheidende Phase war zwischen 1910 und 1914: Das Zeitalter der Maschinen in den Büros begann. In Prospekten wurde damit geworben, dass mit einer Schreibmaschine bis zu vier Kopisten einzusparen wären. Doch die Arbeit wuchs: Durchschläge, Kohlepapier, alles zweifach, dreifach.

Bereits die Einführung neuartiger Telefonapparate hatte in den Anfangsjahren die Übermittlung von Nachrichten revolutioniert. Doch der kurze Dienstweg, das persönliche Besprechen über weitere Distanzen führte nicht zu weniger, sondern zu mehr Arbeit. Besprochenes musste schliesslich schriftlich bestätigt werden.
Schöne neue Welt? Der Traum vom papierlosen Büro wurde im 20. Jahrhundert zum Mythos. Und wird es bleiben. Datenverarbeitung, egal ob mit Lochkarten oder mit Bits und Bytes, produziert mehr Papier, als sie vermeiden hilft. Hoffnungen auf die eine neue technische Innovation, die alles verändert, die alles verbessert, werden in schöner Regelmäßigkeit enttäuscht. Stattdessen müssen sogar die Chefs heute selbst tippen. „Fräulein Schmitz” kommt nicht mehr zum Diktat. Keine Ärmelschoner zu tragen ist längst keine Insignie der Macht mehr. Sondern der eigene Zugang zum weltweiten Netz. Alle tippen, drucken, faxen, mailen. Und alles wird ausgedruckt und abgeheftet. Immer mehr und immer schneller. Papier bleibt geduldig. Und beharrlich. Wie das Prinzip der Schriftlichkeit.
Vielleicht waren die Steintafeln, mit denen Moses einst vom Berge zurückgekehrt war, so etwas wie die allerersten Dienstanweisungen. Mit kurzer Rücksprache, vom obersten Dienst-herrn persönlich ausgehändigt. Einfache schriftliche Ausfertigung, zwei Schriftstücke, auf widerstandsfähigem Material. Heute heißt es dazu in §37 des Berliner VwVfG, Absatz 2 lapidar: „Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen (…).” Alles schriftlich, keine Zweifel. Ein Naturgesetz eben.