Selbst auf der schnuckeligsten Veranstaltung kann in Münster kein Entertainer die Stimmung anheizen mit dem Uralt-Gröler „Ja, mir san mi‘m Radl do“. Denn es sind sowieso alle mit dem Radl do. Jungdoktoren und -professoren nebst Gattinnen, Studenten, Alternative und alte wie neue Naive, Normale und Verrückte – alle eint im Münsterland die Leidenschaft zum Holland-, Renn- oder Rostrad und der Auswärtige – angezogen von den weltweit bekannten Reizen des Münsterlandes – wundert sich: So nah ist die holländische Grenze? Tatsächlich!
Münster mit seinen 310.000 Einwohnern hat fast drei Mal so viele Fahrräder. Der Umstand beruht auf der Eigenart, gleich mehrere Fahrräder sein eigen zu nennen: Das stabile Allwetter-Rad für die Fahrt ins Büro, das praktische Rad mit Körbchen zum Einkaufen und das Sportrad für das „sportliche“ Wochenende.

Zugegeben, ich bin nun nicht der Experte unter den Radfahrern. Schon deshalb beneide ich die Fahrradkollegen, die sich durch das „Schlängeln“ eine enorme Zeitersparnis herausfahren. Mit „Schlängeln“ wird die Autoschlange vor der Ampel von hinten aufgerollt.
Bedauerlich nur, dass mein ganz spezieller Freund mit seinem Liege-Rad bei diesem Spiel nicht mitmachen kann. Das Liege-Rad ist ein Fahrrad, auf dem der Fahrer nicht sitzt oder steht – nein, eben liegt. Probleme gibt es bei dieser Fahrweise praktisch nie. Die kleineren Schwierigkeiten beim Anfahren am Berg mal abgesehen. Es sieht zu komisch aus, wenn er die Steigung mit den Beinen nach oben nimmt – statt der Fußgänger die eigenen Stiefel vor der Nase.

Was den Fahrradfahrer in Münster auszeichnet ist sein Spieltrieb. Jeden Tag gibt es an Münsters Hauptbahnhof das „Fahrrad-Mikado“. Alle schmeißen ihre Stahlrösser auf einen Haufen und derjenige, der seines sucht, darf die anderen möglichst nicht bewegen.
Nächste Woche werden mich meine Nachbarn wieder auf ihren Fahrrädern begleiten. Wie? Nein, die waren nicht in Urlaub. Die Benzinpreise steigen wieder. Außerdem wollen sie die Autofahrer dazu treiben, sich über uns Radfahrer die Platze zu ärgern. Die Plautze natürlich auch, denn die wird bei den Autofahrern leider nicht kleiner.