Anfang der 1970er Jahre stritten zwei öffentlich-rechtliche Lager, wie Fernsehsendungen für Kinder zu gestalten seien. Die eine Fraktion war der Meinung, wenn Kinder schon kostbare Zeit ans Fernsehen verschwendeten, dann müssten sie dabei auch etwas “fürs Leben” lernen. Die Redaktionen mit dieser Meinung (vor allem beim NDR) sorgten etwa dafür, dass 1972 die
“Sesamstraße” ihren internationalen Erfolg auch in Deutschland fortsetzte. Ihre “Gegenspieler” saßen vorzugsweise beim WDR, wo Gert K. Müntefering einen viel zitierten Aphorismus prägte: “Kinderfernsehen ist, wenn Kinder fernsehen”. Seine Botschaft war: Auch Kinder haben ein Recht auf Unterhaltung; das Fernsehen sollte keine Fortsetzung des Schulunterrichts mit anderen Mitteln sein.



Als Musterbeispiel für gutes Kinderfernsehen gilt heute vielen Eltern “Die Sendung mit der Maus”. Die im Untertitel sogenannten “Lach- und Sachgeschichten”, vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) produziert und 1971 erstmals auf Sendung gegangen, sind so alt wie viele der Eltern junger Kinder selbst. Sie sind mit diesem Format aufgewachsen. Anderes Kinderfernsehen, das sich ebenfalls bis heute etabliert hat, kennen viele dagegen kaum. Bei
rund 400 Programmstunden für Kinder pro Woche ist dies auch nicht erstaunlich. Über die Qualität vieler dieser Sendungen kann man sicher streiten, doch eine heftige Diskussion findet gegenwärtig nicht statt. Viele Experten glauben, dass das Fernsehen den Kindern wenig an Informationen über die Welt bringt, seine Betrachtung aber auch wenig schadet.



“Der kleine Maulwurf” ist eine tschechische Serie, die von Zdeněk Miler gezeichnet wurde. In Deutschland tauchte der Maulwurf in “Die Sendung mit der Maus” auf. In dieser Kinderserie musste nicht viel geredet werden – Bilder und Musik waren ausdrucksstark genug.
Dokumentarische Formen ab 1970
In den 1970er Jahren entstanden neben den genannten Kinderfernsehreihen auch Sendungen, die Kinder explizit dokumentarisch ansprachen. So entwickelte z. B. Dieter Kronzucker “1,2,3,4,5,6,7 Kinder in Bogota”. Zusätzlich wurden in den 1970er und 1980er Jahren zahlreiche Informationsreihen für Kinder gesendet, wie z. B. “Kunst für Kinder” (RB), “Sowieso, Der Traum vom Fahren oder Fliegen” (SWF) oder die kleine Reportage-Reihe “Da schau her!” vom BR.

WDR-Schulfernsehen Volkswirtschaft – Strukturen 1978
Neue fiktionale Erzählformen
In den 1970er und den folgenden Jahren setzte das ARD-Kinderfernsehen neben den Sendereihen für Vorschulkinder bei den Sendungen für die Zuschauer ab 6 Jahren verstärkt auf fiktionale Geschichten. Oftmals handelte es sich um narrativ filmisch aufbereitete Kinderserien, die von Abenteuern, Entdeckungen, Freundschaft und anderem mehr erzählten.




Herausragend waren die Produktionen, die der WDR zusammen mit den tschechischen Studios in Barrandov herstellen ließ. Diese Verbindungen hatte vor allem Gert Müntefering, Leiter des WDR-Kinderfernsehens, aufgebaut. Beispielgebend war die Kinderserie “Pan Tau” (ab 1970–1988), von der insgesamt 33 Folgen ausgestrahlt wurde. Es handelte sich um ein “modernes Märchen”, wie der Autor Ota Hofmann selbst sagte. Pan Tau, der immer lächelnde Mann mit Melone, Regenschirm und
weißer Nelke im Knopfloch, war eine Figur, die zaubern und Dinge verändern konnte. Sie trat in Alltagssituationen der Gegenwart auf und zeigte sich nur Kindern, nicht aber Erwachsenen. Sie konnte zudem nicht sprechen (zumindest in den ersten Folgen nicht), sondern agierte tänzerisch und pantomimisch. Ihr Gegenspieler Alfons (auch er wurde von dem Pan-Tau-Darsteller Otto Šimánek gespielt) konnte jedoch sprechen.



Marionetten an realen Schauplätzen
Geschichten ähnlicher Art waren die Serien “Rappelkiste”, “Der Spatz vom Wallrafplatz” und “Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt”. “Der Spatz vom Wallrafplatz” wurde ab 1969 bis 1976 in 36 Folgen ausgestrahlt. Seine Besonderheit bestand darin, dass die Puppenfigur des Spatzen sich vom Rahmen der Puppenbühne löste und in der Stadt an realen Schauplätzen aufgenommen wurde. Durch diese Mischung von Realfilm und Puppenfigur wurde der Spatz so berühmt, dass irgendwann keine neuen Aufnahmen mehr von ihm gedreht werden konnten, weil sich immer gleich zahlreiche Schaulustige ansammelten.

“Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt” (ARD, 1972) war eine vierteilige Puppenfilm-Geschichte von einem Jungen, einem Roboter und einem merkwürdigen Gerät zum Fliegen, das mit rotem Himbeersaft, später dann mit Lebertran betrieben wurde. Die Hauptfiguren waren Marionetten, doch sie agierten – dank Tricktechnik – oftmals vor realen Kulissen. Den jungen Zuschauern wurde durch die Vorbereitung von Robbi und Tobbi auf die Roboterprüfung “nebenbei” Wissenswertes über Luftfahrt, Geografie, Naturwissenschaften und Geschichte vermittelt.
“Sieht komisch aus, ist aber so.” – bei diesem Satz muss man unweigerlich an Peter Lustig und die Sendungen “Löwenzahn” und „Pusteblume“ denken. Ab Ende 1979 erklärte der tolle Kinderversteher aus einem Bauwagen die Welt auf einfache und auch überraschende Art. 2005 zog sich Peter Lustig aus gesundheitlichen Gründen aus der Serie zurück. Seitdem wird die Wissenssendung für Kinder im Grundschulalter von Guido Hammesfahr alias Fritz Fuchs moderiert.“
Fernsehfilme für Kinder
Der WDR erprobte auch – da die Kinderfernsehredaktion nur über einen kleinen Etat verfügte – eine Zusammenarbeit mit der Fernsehspielredaktion des Senders. Hier entstanden in den 70er Jahren Fernsehfilme wie Ilse Hofmanns Verfilmung des Christine-Nöstlinger-Buches “Die Ilse ist weg” (1976) oder Wolfgang Beckers/Max von der Grüns “Vorstadtkrokodile” (1978). Dabei steht der Fernsehfilm “Die Vorstadtkrokodile” exemplarisch für eine neue Generation von Kinderfilmen in den 70er Jahren. So stammen auch die “Vorstadtkrokodile” nach der literarischen Vorlage des Autors Max von der Grün aus dem Arbeitermilieu. Sowohl die Szenerie als auch Dialoge und Thematik machen um soziale Probleme wie das des Bandendiebstahls jugendlicher Täter keinen Bogen und verdeutlichen so einen besonderen Realitätsbezug.

Was Kinderserien betrifft, kamen die in dieser Zeit so richtig in Schwung. Natürlich hatte es schon vorher Unterhaltung für Kinder gegeben, aber neue Konzepte wurden ausprobiert. Man wollte das Medium Fernsehen einerseits für Unterhaltung nutzen, aber den Bildungsauftrag trotzdem nicht vernachlässigen. So importierte man die Sesamstraße aus den USA und erfand mit “Die Sendung mit der Maus” eine eigene Wissenssendung. Der bayrische Rundfunk fand die Sesamstraße zu amerikanisch und erfand “Das feuerrote Spielmobil”, um Kindern Deutschland näher zu bringen. Das ZDF hielt dagegen und schickte Kli-Kla-Klawitter ins Rennen.


Kinderserien: Zeichentrick aus Japan und den USA
Speedy Gonzales, Tom & Jerry, Familie Feuerstein, Bugs Bunny und Daffy Duck kamen über den großen Teich zu uns, aber viele der Zeichentrickserien stammten auch aus Japan. Im Nullkommanix produzierten die dortigen Studios Dutzende von Folgen von Heidi, Biene Maja, Calimero, Niklaas, ein Junge aus Flandern, Sindbad, Pinocchio oder Wickie. Diese Figuren bestimmten lange Zeit in Deutschland die herrschende Ästhetik von Zeichentrick. Einige von ihnen sahen sich verdächtig ähnlich: Marco, der 1980 über die Bildschirme flimmerte, sah genauso aus wie Heidi. Da hatte man sich nicht viel Mühe gegeben.

Obwohl die Serien in Asien produziert wurden, hatten sie alle europäische Helden und Heldinnen. Das Pokémon-Zeitalter war noch nicht angebrochen – man unterhielt uns Kinder lieber mit Geschichten aus Europa. Und sie waren bunt. Das sollte man auch nicht vergessen. Erst seit 1967 gab es Farbfernsehen. Viele Familien konnten sich erst Jahre später einen Farbfernseher leisten. Die neue Farbgewalt wurde in diesen Zeichentrickserien erst richtig ausgekostet.



“Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät? Soll das heißen, ja ihr Leut´, mit dem Paul ist Schluss für heut´. Paulchen, Paulchen mach´ doch weiter. […] Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder keine Frage!”
Einfach nur Kult: die Kinderserie “Der rosarote Panther” oder auch “Paulchen Panther” genannt. Die Zeichentrickserie entstand nach dem Filmvorspann zum Kinofilm “Der rosarote Panther” (1963). Neben dem rosaroten Panther gibt es auch Geschichten von Inspektor Clouseau und der blauen Elise, einer Ameisenbärin. In der deutschen Version wird die Rahmenhandlung immer in Versen umschrieben.“
Kinderserien: Tiere gehen immer!
Kinder lieben Tiere und deshalb war es klar, dass diese Kombination auch im Fernsehen erfolgreich lief. Viele der Serien hatten ihren Ursprung in den sechziger Jahren, aber in Deutschland sah man sie erst in den Siebzigern. Daktari, Flipper, Fury, Mister Ed, Black Beauty und Lassie faszinierten uns Kinder ungemein. Besonders Daktari und Flipper waren exotisch. Eine Lassie konnte einem im Park begegnen, denn dank der Serie gehörten Langhaarcollies damals zu den beliebtesten Hunderassen. Flipper schwamm aber nicht im örtlichen Teich herum und ein Clarence lümmelte sich auch nicht auf der elterlichen Terrasse herum. Das machte den Reiz dieser Serien aus.




“Salmei, Dalmei, Adomei” – dass war der Zauberspruch von Catweazle in der gleichnamigen Serie. Catweazle ist ein schrulliger Zauberer im 11. Jahrhundert, bis er in der Zukunft von 1970 landet. Dort versucht er die Tücken der modernen Welt zu überleben, was aber gar nicht so einfach ist. Zum Glück findet er in dem jungen Harold einen zuverlässigen Freund, der ihm viel erklären kann. Und dann gibt es ja auch noch die Kröte Kühlwalda, die ihm nicht von der Seite weicht.
Die Macht der Astrid Lindgren
Kinder haben Astrid Lindgren und ihren schönen Geschichten viel zu verdanken. Dem Erfolg ihrer Bücher folgten die tollen Serien: Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, Die Kinder von Bullerbü, Ferien auf Saltkrokan, Ferien auf der Kräheninsel oder Karlsson auf dem Dach. Lindgrens Heldinnen und Helden waren frech, abenteuerlustig und stromerten durch die Natur. Wir wollten alle so mutig wie Pippi sein, wussten aber wohl im Herzen, dass wir eher eine Annika oder ein Tommy waren. Egal! Man musste nur zusammenhalten und dann konnte man sich auch etwas trauen.




“Kommt und besucht mal Barbapapa …” – Die birnenförmige, bunte Familie kann sich in jede Form verwandeln – egal ob gerade eine Gitarre oder eine Badewanne benötigt wird. Die französische Zeichentrickserie wurde Ende 60er Jahre entwickelt und 1974 erstmals im deutschen Fernsehen gezeigt. Der Name entspringt dem französischen „barbe à papa“, wörtlich „Papas Bart“; bedeutet aber Zuckerwatte. Ein sehr fantasievoller Klassiker unter den Kinderserien. h
In der nächsten Folge:
“Als Jimmy auf die Insel kam.”
Die Musik der bunten 70er-Jahre.

An vieles kann ich mich erinnnern.
Es gab auch 1,2 oder 3 du musst dich entscheiden. Löwenzahn. In den siebziger Jahren wurde viel auf Kinderunterhaltung gesetzt. Werbung hatte es auch erkannt. Mit den Jahren wurde gezielt auf Kinder das Programm abgestimmt. Ob es gut war, ist eine andere Frage. Für Regenwetter war es eine gute Unterhaltung. Aber ich bin ein Draussenkind gewesen, aber das ein oder andere sah ich auch.
Patrick Picard, Fantagiro, Pumuckel, Anna (Baletttänzerin im Rollstuhl) Uhlenbusch oder Es war einmal der Mensch. Kinderfernsehn ist nach und nach mehr geworden. Wie gesagt, ob es gut ist, ist eine andere Sache. Wenn ich in den neunziger Jahren von anderen gehört hatte, hat die Werbung und das Programm für Kinder Auswirkungen gehabt. Kinderwünsche wurden mehr.
Von meinen Kindern kenne ich noch Feuerwehrman Sam. Lala…habe ich gleich abgewürgt. Manche heutigen Kindersendungen haben keinen Sinn und Verstand, aber es läuft.
Bob der Baumeister wird nicht realistisch dargestellt. Sprechende Autos? Genauso irreführende Werbung. Milch kommt aus den Supermarkt oder Lila Kühe.