Stresemanns Ganz normal

Die Geschichte des Radios (16): Gastarbeiter, Paul Temple und ein Geheimsender

Gastarbeiter, Paul Temple und ein Geheimsender

Teil 16: 1960-1969

In den 60er Jahren kann man das Radio getrost als Medium gesellschaftlichen Wandels und neuer Identitätsbildung betrachten. Wenn junge Deutsche AFN hörten, den amerikanischen Soldatensender, wurden sie mit dem Rock’n’Roll-Virus infiziert. Das Radio verkündete nun nicht mehr das Bestehende, sondern erzählte vom Neuen. Sogar innerhalb der staatlichen Strukturen bildeten sich die enormen Spannungen der 68er-Zeit ab: Popsender bekamen Kultstatus. Blasmusik gegen Avantgarde- Pop, Jazz versus Schlager – die Sendeformate differenzierten sich entlang von Musik-Kultur und Lebensstilen, in denen sich die Gesellschaft differenzierte.

1961 begannen die Gastarbeiterprogramme der ARD für Zuwanderer aus Südeuropa. Die älteste Sendung ist die Mezz’Ora Italiana, die vom Saarländischen Rundfunk zuerst am 21. Oktober 1961 in italienischer Sprache ausgestrahlt wurde.

Am 1. Januar 1962 nahm in der Bundesrepublik Deutschland der 1960 per Bundesgesetz gegründete Deutschlandfunk seinen Sendebetrieb auf Lang- und Mittelwelle mit einem in weiten Teilen Europas empfangbaren Informationsprogramm auf. Zielgruppe des Programms waren vor allem die Hörer in der DDR und – mit den später auf Mittelwelle aufgenommenen Fremdsprachensendungen – Osteuropa, er bildete praktisch das Gegenstück zum Deutschlandsender, dem Hörfunkprogramm des Rundfunks der DDR.

Am 1. Oktober nimmt der von der DDR als Geheimsender geschaffene Deutsche Soldatensender 935 seinen Betrieb auf, er sollte die Soldaten der Bundeswehr ideologisch beeinflussen. Seinen Betrieb stellte der Sender am 1. Juli 1972 ein.

Der erste “Straßenfeger” im Radio: Paul Temple ermittelt

Der WDR in Köln hatte mit der Ausstrahlung des 8-teiligen Hörspiels Paul Temple und der Fall Conrad von Francis Durbridge mit René Deltgen einen ungeahnten Erfolg. 

Nach dem großen Erfolg der ersten Staffel folgt beim WDR die Ausstrahlung des 8-teiligen Hörspiels Paul Temple und der Fall Margo von Francis Durbridge mit René Deltgen. Zwei weitere Staffeln werden noch folgen.

!968 – Die internationale Hitparade, mit Wolf-Dieter Stubel (NDR)

Geradezu Kultstatus besaßen in den 50er und 60er Jahren die Bajazzo Serie von Telefunken. In den früher 50ern bereits als Röhrenversion erschienen, zeigt das linke Foto ein Telefunken Bajazzo TS 201 Transistorradio aus den 60er Jahren. Der Bajazzo TS 201 wurde mit 5 1,5-Volt-Batterien betrieben und empfing auf Kurzwelle, Mittelwelle, Langwelle und Der Transistor konnte jetzt auch aufgrund der neuen Leichtigkeit und der Minimierung der Ausmaße überall mit hingenommen werden.

Auf der 23. Großen Deutsche Funk-Ausstellung in Berlin vom 30. August bis 08. September 1964 werden Neuheiten präsentiert: Die Firma Braun stellt die Braun Station T1000 vor, ein hochwertiges Transistor-Kofferradio nach dem “Weltempfänger-Prinzip”, dass mehrere Kurzwellenbereiche ermöglicht und somit weltweiten Radioempfang. Der T1000 verfügte über 8 Kurzwellenbereiche.

Nicht nur der Ersatz der Röhren durch Transistoren verringerte das Gewicht; die bis dahin schweren Batterien konnten durch kleine 9 Volt Batterien ersetzt werden und das Gehäuse bestand immer seltener aus Holz. Das Gehäuse wurde vermehrt durch Kunststoffe wie Bakelit oder Pressstoffe hergestellt. Die Transistoren benötigten auch sehr viel weniger Platz als die alten Elektronenröhren und sie waren natürlich auch sehr viel robuster als die Röhren mit ihren empfindlichen Heizdrähten. Mit dem Transistorradio war allgemein eine höhere Flexibilität im Alltag, im „Höralltag“ gegeben. Transistorradios wurden öffentlich mitgeführt; in den 60ern war es gang und gäbe, solche Radios in der Öffentlichkeit abspielen zu lassen.

Die Werbung unterstützte dies zudem, – die damals gängigen Radionamen wie Freizeitsuper, Reisesuper, Camping Luxus, Radio Weekend, Autosuper oder Picknick Super belegen dies eindeutig. Das Transistorradio wurde Statussymbol bei vielen Jugendlichen. Die weltweite Verbreitung der Transistorradios wurden durch niedrige Preise, geringen Strombedarf sowie eine außergewöhnlich hohe Qualität, die nicht nur meiner Ansicht nach in heutigen Kleinradios nicht mehr erreicht wird, unterstützt.

Insbesondere die westdeutsche Elektronikindustrie perfektionierte den Bau der Transistorradios. Führend bei dieser Entwicklung waren Firmen wie Blaupunkt, Grundig, Telefunken, Schaub-Lorenz, Loewe-Opta, Braun, Metz, AEG, Nordmende, Graetz, Saba, Siemens oder Akkord.

Ein Sender für Geheimes und ein Sender für die Jugend

Am 21. August 1968, mit dem Beginn der Invasion nimmt der von der DDR errichtete Geheimsender Radio Vltava (deutsch: Radio Moldau) seinen Betrieb auf. Ziele sind die Desorientierung der tschechoslowakischen Bevölkerung und die Diskreditierung der Reformer des Prager Frühlings. Massive Proteste seitens der Tschechoslowakei führten schließlich am 13. Februar 1969 zur Abschaltung von Radio Vltava und zu dessen Umwandlung in ein offizielles Auslandsprogramm von Radio Berlin International.

Tschechischer Geheimsender 1968

Am 29. Juni 1964 wird in Ost-Berlin der Jugendsender DT64 als „Sonderstudio Deutschlandtreffen 1964“ ins Leben gerufen. Am 1. Mai 1993 endete die Zeit von DT64 mit der Umbenennung in Sputnik. Nachdem die Wort- und Bildmarke DT64 zunächst beim MDR lagen, gehören Sie seit dem 21. Oktober 2016 der Antenne MV GmbH & Co. KG.

Der Laubfrosch hat die Farbe gewechselt – geheimes Radio

Für einen Skandal sorgt am 24. Januar 1969 die Ausstrahlung des Hörspiels Staatsbegräbnis des Autors Ludwig Harig. Das Hörspiel war unter der Regie von Johann M. Kamps gemeinsam vom SR und dem WDR produziert worden. In der Persiflage wird ausschließlich Originaltonmaterial der Trauerreden anlässlich des Staatsbegräbnisses für Konrad Adenauer verwendet und gegeneinander verschnitten. Den Verantwortlichen wird darauf hin ein respektloser Umgang mit einem zwei Jahre zurückliegenden ernsten Thema vorgeworfen.

In der nächsten Folge:

Ein Rundfunksender zerbricht, die GEZ wird gegründet und Verkehrs-nachrichten werden in den 70er-Jahren populär.

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