Der Erste Weltkrieg hinterließ außer Trümmern und Soldatenfriedhöfen eine Menge Funkgeräte, für die der «drahtlose Kriegsnachrichtendienst» erst einmal beendet war. Gleich nutzten clevere Geschäftsleute den elektronischen Kriegsmüll, um Börsennachrichten zu funken. Doch im Jahr 1920 übernahmen fast alle europäischen Länder die politische und kulturelle Nutzung der «Ätherwellen» oder vergaben Sendelizenzen. In den USA und England funkten Privatdienste Wort- und Musikbeiträge. In der Schweiz machte der Völkerbund 1920 das neue Medium den Friedensbemühungen nutzbar. Im gleichen Jahr brachte der deutsche Sender Königs Wusterhausen als Premiere die Friedensbotschaft einer Weihnachtsfeier.

1920: Radio Pittsburg sendete als erster Radiosender der USA
Jeder sendet was er kann und was er will
Mit dem Ende des Krieges 1918 erhebt sich in Deutschland die Novemberrevolution, aus der die Weimarer Republik hervorgeht. Auch die staatliche Organisation des Rundfunkwesens hat hier ihren Ursprung: Sozialistische Arbeiter- und Soldatenräte senden über besetzte Nachrichtenagenturen wochenlang ihre Bekanntmachungen und Aufrufe. Daraufhin entschließt sich die Reichspost, den Rundfunk zu entpolitisieren und zu kontrollieren.
Niemand begriff so schnell die politische und mediale Macht der Radionachrichten wie der russische Revolutionär Wladimir Iljitsch Lenin. Er funkte am 12. November 1917 das soeben vom Sowjetkongress beschlossene Friedensdekret «An alle. An alle». Diese Adresse war der Taufspruch für das Radio. Auch die ersten drahtlosen Konzerte in Deutschland, die von der Versuchsfunkstelle Eberswalde in Brandenburg kamen, wurden im Jahre 1919 ausdrücklich «An alle» gesendet.

Übertragung mit Grammofon und Telefonhörer
„Hallo, hier Königs Wusterhausen auf Welle 2700. Meine Damen und Herren, zum Zeichen, dass unsere Station jetzt großjährig geworden ist, wollen wir Ihnen ein kleines bescheidenes Weihnachtskonzert senden.“
Achtung! Der Rundfunk spricht! 1920
„Das Entscheidende an dieser Sendung war, dass die Techniker Sprache und Musik übertragen haben. Und damals haben sie zur Musikübertragung einfach die Telefonsprechkapsel vor den Hörer eines Grammofons gehalten und haben damit die Musik übertragen“, erzählt Rainer Suckow, Radio-Enthusiast und der Vorsitzende des Sende- und Funktechnikmuseums in Königs Wusterhausen. In monatelangen Versuchen haben Techniker mit einem selbstgebauten Lichtbogensender experimentiert, um damit Sprache und Musik zu übertragen. An diesem Mittwoch ist es dann so weit – um zwei Uhr nachmittags geht der Sender in Betrieb. Eine zerkratztes Schwarzweiß-Foto, das erhalten geblieben ist, zeigt vier Angestellte der Deutschen Reichspost.
In einer kurzen Ansprache wird den Hörern ein „kleines, bescheidenes Weihnachtskonzert“ angekündigt. „Stille Nacht, heilige Nacht“ kann man damals hören, gespielt von Klarinette, Harmonium, Streichinstrumenten und Klavier. Es ist eine Sensation! Zum Abschluss wünschen die Sendepioniere ein frohes Weihnachtsfest.
Geschätzt wird, dass die erste öffentliche Radiosendung etwa 150 Menschen gehört haben. Exakt weiß man es jedoch nicht. Damals eine Mediensensation, heute gilt es als die Geburtsstunde des Rundfunks in Deutschland. Der reguläre und regelmäßige Senderbetrieb begann allerdings erst drei Jahre später: am 29. Oktober 1923 im Berliner Voxhaus.
In den USA ist man viel früher dran, dort gab es 1920 in Pittsburgh sogar schon den ersten kommerziellen Rundfunksender. Er überträgt die Wahlergebnisse der Präsidentschaftswahlen und spielt dazwischen Musik. In Europa ist man noch nicht so weit, die einzelnen Staaten haben lange versucht, wichtige Erfindungen in der Radiotechnik voreinander geheim zu halten. Erst nach dem 1. Weltkrieg geht es voran: Die Deutsche Reichspost übernimmt die Hoheit über das Funkwesen. Der Hochfrequenztechniker und Funkpionier Hans Bredow wird Vorsitzender des Direktoriums der Telefunken-Gesellschaft und Ministerialdirektor im Reichspostministerium.
In der nächsten Folge:
1920 – 1924
Der Hochfrequenztechniker und sein Röhrensender