Der Hochfrequenztechniker und Funkpionier Hans Bredow wird Vorsitzender des Direktoriums der Telefunken-Gesellschaft und Ministerialdirektor im Reichspostministerium. Er hält 1919 in Berlin einen Vortrag über die Möglichkeiten eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Bredow setzt nicht nur auf Theorie, sondern auch auf Praxis: Wie man Musik und Sprache übertragen kann, führt er gleich während des Vortrags vor, mittels eines Röhrensenders. Er fordert „Rundfunk für jedermann“, eine Art „gesprochene Zeitung“.

Wie in den 20er-Jahren Radio gemacht wurde
An einen Unterhaltungswert des Rundfunks glaubt außer ihm aber kaum jemand – bis zum Weihnachtskonzert 1920, das für Furore sorgt. Das Entscheidende an dieser Übertragung am 22. Dezember 1920 war, dass die Techniker Sprache und Musik übertragen haben. So wurde zur Musikübertragung einfach die Telefonsprechkapsel vor den Hörer eines Grammofons gehalten und damit die Musik übertragen.
Geschätzt wird, dass die erste öffentliche Radiosendung etwa 150 Menschen gehört haben. Exakt weiß man es jedoch nicht. Allerdings nicht nur in Deutschland, denn Jubel-Telegramme trafen zum Beispiel aus Skandinavien, Luxemburg, den Niederlanden und England ein.
1921 verwendet Bredow zum ersten Mal öffentlich die deutsche Bezeichnung „Rundfunk“ für das bisher überall gebräuchliche Wort „Radio“. Kurz zuvor ist er zum Staatssekretär für das Telegrafen-, Fernsprech- und Funkwesen ernannt worden. Schnell beginnt er mit der Organisation eines öffentlichen Rundfunks. .
Schon 1922 wird der „funktelephonische Dienst“ gegründet, der Wirtschaftsnachrichten übermittelt. Im Jahr darauf wird der Blitzfunkverkehr für Eilmeldungen mit besonders wichtigen Informationen aufgenommen und es werden die ersten Sendungen zur Unterhaltung im Rundfunk ausgestrahlt.
Nach einigem Hin und Her 1922/1923 schuf die Reichspost die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für den »Rundspruch für alle«. Bis Mitte 1924 wurden neun regionale Programmveranstalter als Aktiengesellschaften gegründet. Deren Anschubfinanzierung übernahmen erst einmal private Geldgeber. Der laufende Rundfunkbetrieb sollte durch einen Teil der Gebühren bestritten werden, die die Reichspost für die Betriebserlaubnis eines Rundfunkempfängers erhob: Sie betrug zwei Mark. Auch in den Programmgesellschaften hatte die Reichspost das letzte Wort, denn die treibende Kraft und der starke Mann des deutschen Rundfunks war ihr Rundfunkkommissar Hans Bredow.
Die Entscheidungsbefugnis der Post basierte darauf, dass sie Trägerin der Funkhoheit war und damit das Recht besaß, die Sendekonzessionen zu erteilen. Dies benutzte sie als Druckmittel, um jeweils absolute Mehrheiten an Stimmrechten in den Aufsichtsgremien aller Programmgesellschaften zu erhalten. Darüber hinaus gelang es ihr, die Versuche anderer Interessenten, im neuen Medium Einfluss zu gewinnen, abzuwehren. Auf diese Weise konnte sie ihre Vorstellung vom politisch neutralen Rundfunk durchsetzen.

Allerdings wollte der Staat zur Zeit der Weimarer Republik sowohl die Inhalte als auch die Technik kontrollieren. Die Radio-Industrie wurde daher verpflichtet, nur solche Geräte herzustellen, mit denen lediglich ein enger Mittelwellenbereich empfangen und nicht selbst gesendet werden konnte.
Da die Technik aus der Telegrafie kam, war die Reichspost für Sende- und Empfangstechnik zuständig: Das Radio für zu Hause musste bei der Post mit einer Urkunde genehmigt werden. Außerdem hatte jeder Radiobesitzer eine Gebühr zu entrichten.
In der nächsten Folge:
1923 – 1926
Vom Saalfunk und einer Notlösung