Heute ist wieder der Tag, an dem Caro in ihrem Blog “Draußen nur Kännchen” dazu aufruft, den Ablauf in 12 Bildern vorzustellen. Was soll ich euch über den heutigen Samstag erzählen? Ich sitze zu Hause am Schreibtisch – Bereitschaftsdienst in der Redaktion – im „Homeoffice“ und telefoniere, schreibe, höre Beiträge, sammle Ideen und Vorschläge ….
In der Coronazeit ein ganz normaler, ruhiger Samstag, der – für einen Außenstehenden – eventuell eintönig sein dürfte. Vor allem: Welche Bilder zeige ich dazu? Zwölf Mal meinen Schreibtisch? Ok, ganz so langweilig ist es natürlich nicht, wie ihr den anderen meiner Beiträge zu dieser Reihe entnehmen könnt. Aber heute?
Heute lade ich euch zu einer Reise in die Vergangenheit ein. Folgt mir 45 Jahre zurück, auf den 12. Dezember 1975, übrigens einem Freitag:
Ich bin 19 Jahre alt und freue mich schon auf das kommende Wochenende. Doch erst einmal gilt es diesen Freitag zu überstehen. Ich wohne noch zu Hause, meine Eltern hatten mir im vorigen Jahr mitgeteilt, dass ich nun volljährig sei und meinen Tagesablauf bitte gefälligst selbst organisieren solle. Seitdem beschränkte sich die Unterstützung meiner „alten Herrschaften“, wie wir unsere Eltern in unserer Klicke nennen, auf die Lebensmittel- und Wäscheversorgung.

Das Aufstehen fällt mir schwer, gestern habe ich noch lange mit Freunden renoviert. Kumpel Ralf ist zu Hause aus und in die Garage seiner „alten Herrschaften“ eingezogen. Da war es klar, dass wir Freunde mit anfassen und anschließend die Einweihung entsprechend feiern. Eigentlich sollte mich mein riesiger Wecker wachrütteln, stattdessen weckte mich – wie jeden Morgen – mein Zimmergenosse. Er heißt „Mario-Carlos-del Mey-de Lima“ und ist ein Nymphensittich. Eigentlich nur „Karl“, aber die Namensversion, die Georges Moustaki in einem Song singt, gefällt mir weitaus besser. Also aufstehen, waschen, schnelles Frühstück und ab an die Arbeit.
Anfang des Jahres konnte ich meine Ausbildung zum „Versicherungskaufmann“ beenden und arbeite nun als junger Angestellter in der Leistungsabteilung einer Krankenversicherung. Außer der Arbeit sind heute Themen wie über den Bundeskanzler Helmut Schmidt, den nächsten Kampf von Cassius Clay und die Äußerungen von Alfred Tetzlaff in der letzten Folge von „Ein Herz und eine Seele“ in den Gesprächen mit den Kollegen an der Tagesordnung. Das dieser Beruf nicht mein endgültiger Beruf sein würde, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Der Weg zum Büro dauert mit dem Fahrrad nur eine Viertelstunde. Der Schnee der Vortage war verschwunden, trotzdem zeigt sich dieser Freitag in einem typischen münsterschen „Schmuddelwetter“ mit Nieselregen. Die Münsteraner sagen „es meimelt“ (regnet) dazu.
Im Büro sind wir eine relativ kleine Gruppe, denn die Hauptverwaltung hat ihren Sitz in einer anderen Stadt. So ist es eigentlich die Regel, dass einige von uns jeden Freitag in das „kepa-kaufhaus“ gegenüber zum Mittagessen gehen. Dort gibt es freitags halbe Hähnchen für 2 Mark mit Pommes und Mayo für insgesamt 2,90 Mark. Doch ich ging heute nicht mit. Das Büro hat seit zwei Jahren die „gleitende Arbeitszeit“ eingeführt, die für mich einen wunderbaren Vorteil hat, denn dadurch kann ich heute schon um 13:30 Uhr in das Wochenende gehen. Was ich nur zu gerne mache. Dafür werde ich dann allerdings am Montag wieder bis 18:00 Uhr arbeiten müssen. Ich muss noch etwas für mein Hobby raussuchen, daher schnell nach Hause. Dort habe ich mir nach und nach eine kleine Sammlung von Cassetten und Cassetten-Recordern angeschafft. Ein kleines Mischpult und ein Tonbandgerät und unzählige Schallplatten machten mein kleines Heimstudio perfekt. Nutzen kann ich es aber nur, wenn meine Eltern nicht zu Hause sind, denn ihnen ist die „Hottentottenmusik“ (Ausspruch meines Vaters) einfach zu laut. Da hilft selbst der Kopfhörer nix. Dass ich nur zwei Jahre später ein moderneres Studio haben würde, wusste ich da auch noch nicht.
Zwischendurch bat mich mein Vater um Hilfe. Er hat Probleme beim „Strippenziehen“. Eine Weiche der Modelleisenbahn lässt sich nicht so einfach anschließen und so benötigt er zwei weitere Hände zum Kabel verlegen. Er konnte bereits eine Stunde eher ins Wochenende gehen und – kaum zu Hause – lag er unter der Eisenbahn. Oder besser gesagt: Unter den einzelnen Platten im Strippengewirr der Anschlüsse von Signalen, Weichen und Stromzuführung. Früher haben wir beide hier viele Wochenenden verbracht, aber heute habe ich andere Prioritäten und helfe nur ab und an mal aus oder schaue mir seine Neuerungen an.



Treffen mit den Jungs von der „Studiowelle Hiltrup e.V.“ einem Krankenhausfunk-Radiosender, den es inzwischen seit fünf Jahren gibt. Ein Dachboden – vormals Abstellraum für unbenutze Betten – wurde zum provisorischen Studio. Die Ordensschwestern waren anfangs skeptisch, was diese jungen Leute da in diesen Kammern machen. Inzwischen schauen sie gern vorbei, wünschen sich einen Musiktitel oder bringen auch mal Kuchen mit. Hier habe ich mein Hobby gefunden, produziere und moderiere mehrere Sendungen allein oder zusammen mit anderen. Besonders die Arbeit mit den Patienten macht Spaß. Ich gehe die Patientenzimmer einer Abteilung ab, um die Musikwünsche der Patienten zu erfragen.
Danach suche ich die gewünschten Musiktitel aus dem riesengroßen Schallplattenarchiv des Krankenhausfunks heraus und lege sie unserem Studiowellenchef Hartmut für sein morgiges „Wunschkonzert“ in sein Fach. Zwölf junge Leute gehören zum Team, jede begeistert sich auf seine Art für den Krankenhausfunk. Was verschiedenste Sendungen zur Folge hat. Ich werde morgen – zusammen mit Detlef – die „Rätselsunde“ moderieren, in der es für gelöste Rätselfragen entweder ein Rätselheft oder eine kleine Flasche Sekt zu gewinnen gibt. Die Fragen sind nicht so knifflig, beispielsweise: „Wie nennt man einen Zusammenleger von Südfrüchten?“ Wisst ihr die Lösung? Die gibt es zum Schluss.
Diskussion mit Michael. In „Mel Sandocks Hitparade“ wurden am Mittwoch die Bay City Rollers mit ihrem Hit „Saturday night“ als Sieger präsentiert. Hier findet ihr übrigens Mitschnitte von „Mel Sandocks Hitparade“. Michael selbst hat im hr3 gehört, dass dieser Hit hier diese Woche die Nr. 1 in Deutschland wäre. Im Gegensatz zum großen Bruder WDR, in dem heute jeder zu sendende Titel schon Wochen vorher festgelegt wird, geht das bei der Studiowelle einfacher. Wenn es – wir hier – zwei Anwärter für den 1. Platz der hauseigenen Hitparade gibt? Na, dann spielen wir sie eben beide und die Sendung dauert länger. Basta!
Währenddessen hat Romanus einen Studiogast in seiner nebenan laufenden Sendung. Es ist der plattdeutsche Schriftsteller Rainer Schepper. Er wird etwas aus seinem neuen Buch vorstellen und ein Exemplar verlosen. Viele bekannte und unbekannte Prominente werden in den nächsten Jahren hier noch sitzen. Wer Lust daran hat, die „Studiowelle Hiltrup e.V.“ einmal zu hören, der kann das hier tun. Am 12. Dezember 1975 dachte allerdings niemand daran, dass es mal im Internet möglich sein wird, den Krankenhausfunk rund um die Uhr zu hören. Produziert wurden 12 Stunden in der Woche an 3 bis 4 Tagen.
Was im Krankenhausfunk sehr verfolgt wurde, war das Fernsehprogramm in den drei empfangbaren Fernsehsendern ARD, ZDF und WDR. Wobei wir auch den NDR noch bekamen. Gegen 19:00 Uhr war ich wieder zu Hause. Mit zwei Scheiben Brot mit Käse und Aufschnitt gab es eine kleine Abendmahlzeit. Danach galt es sich fein zu machen für die Disco, in die es aber erst gegen 23:00 Uhr gehen wird. Vorher treffe ich mich mit meinen Kumpels noch in einem Musik-Cafe in Münsters Innenstadt. Hier wird bei mehreren Kaffee die Weltlage diskutiert oder ausgetauscht, was wo in der City am Wochenende los ist und warum die kleine Kellnerin Kumpel Ralf immer so anlächelt. Die Nächte vom Freitag auf Samstag und vom Samstag auf Sonntag gehören der „Eule“, der Inn-Diskothek, in der es erst spät interessant wird. Und es wird lang. Die Abende bestehen aus Schwofen, Anmachen. Billiard, Barcardi-Cola, Spaghetti-Bolognese und viel lauter Musik. Meist bleiben wir bis zum Schluss, also bis 6:00 Uhr morgens. Danach geht es dann zu „Papa George“ einer Kneipe, in dem ab 6:00 Uhr Frühstück zu bekommen ist.
So, für mich ist nun hier Feierabend. Gerade wurde ich noch darauf hingewiesen, dass ich euch ja noch die Auflösung der Frage: „Wie nennt man einen Zusammenleger von Südfrüchten?“ schuldig bin. „Zitronenfalter!“ Habt ihr es gewusst? Wer sich für solche und andere Rätsel begeistern kann, dem empfehle ich, einmal beim Blogger-Kollegen Heinz zu schauen. In seinem Blog „Jung im Hirn“ gibt es unzählige derartiger Rätsel. Euch wünsche ich noch einen schönen Dezember. Nun bin ich gespannt, was andere an diesem 12. Dezember 2020 erlebt haben. Dazu verlinke ich meinen Beitrag noch rüber zu Caros Blog „Draußen nur Kännchen“. Caro betreut das Projekt und sammelt allmonatlich als Linkliste die Meldungen anderer Blogger/Innen. Wer sich auch einmal in anderen #12von12 Tagesabläufen umgucken möchte… die gemeldeten Blogeinträge werden hier gesammelt. Wie immer: Danke Caro für Deine große Mühe.
Der Tipp :
26 historische Radio-Antiquitäten

WOW, ein Krankenhausradio!!! Herrlich Deine Rückblende… Und ja, im Münsterland bis 6.00Uhr morgens feiern gehen, hatte schon was ;o)
Liebe Grüße Katrin
Stimmt, unter heutigen Voraussetzungen wäre der Käfig viel zu klein. Aber vor 45 Jahren wurde Vogel mit Käfig so verkauft. Der Vogel ist übrigens 16 Jahre alt geworden. Ein biblisches Alter für einen Sittich.
Leider eine negative Anmerkung. Der kleie Vogelkäfig ist einfach nur Tierquälerei, das müssen sie jetzt auch nicht veröffentlichen,aber einfach nur mal zum Nachdenken.
Wie toll, dass ich hierher gefunden habe!
Das liebe ich an den 12v12, man trifft auf spannende Blogs und ihre Autoren.
Der von dir geschilderte Tag liegt ein paar Jahre vor meiner Geburt und ich bin sehr überrascht, dass du so viele Bilder in diesen Tagen gemacht hast (in unserer Familie gab es bis in die frühen 90er wenige Fotos. Und das obwohl mein Vater eine eigene Dunkelkammer besaß).
Und: Der Radiosender ist ja wohl der Knaller!
Herzliche Grüße aus dem Franken ins Münsterland und einen geruhsammen 3. Advent.
Suse