Früher war ich läuferisch stundenlang allein unterwegs, Kilometer spielten keine Rolle. Ich war nie schnell, sondern hatte als Ultraläufer mehr den Ehrgeiz weit zu kommen. Heute ist das – vielleicht auch aufgrund von Zeitmangel, Alter, Wehwehchen und nachlassender Kondition – ein wenig anders.
Mehr aus einer Laune heraus folgte ich der Aufforderung meiner Kollegen heute bei einem „Überlandlauflauf“ mitzumachen. In der Meinung, es handle sich hierbei um eine Spaß Veranstaltung sagte ich leichtfertig zu. Nach ein wenig Recherche musste ich leider feststellen, dass es meine Kollegen durchaus ehrgeizig meinten, eine 30 Kilometer lange Holperstrecke zu absolvieren.
Um nicht die dreifache Zeit zu brauchen und die Leute, die das Ziel abbauen werden, nicht zu verärgern, habe ich schon vor einigen Wochen ein Teil meines früheren Trainingsprogrammes für die Vorbereitung wieder aufgenommen. Trotzdem hatte ich Bedenken, ob ich den gesamten Lauf in meinem Alter überhaupt noch schaffe.
Heute Morgen war ich bereits eine Stunde vor dem Start am vereinbarten Treffpunkt. Obwohl ich mir einredete, dass es mehr eine Erholung zum Sonntag sei, war ich doch ein wenig nervös. Meinen mitlaufenden Kollegen ging es ebenso. Ich machte ihnen klar, dass für mich das Laufen selten einen echten Wettbewerbscharakter hatte. Und das wäre auch heute nicht so. Wichtig sei es einzig anzukommen. Von meinen Bedenken es vielleicht doch nicht zu schaffen, erzählte ich ihnen besser nichts.
So standen wir dann in der Nähe der Startlinie herum, über uns graue Wolken, neben uns eine wachsende Menge von Mitläufern. Wie, die alle wollen mit? Ich stehe ganz hinten und wünsche meinen Kollegen viel Glück und Erfolg. Der Startschuss fällt und 100 Starter setzen sich in Bewegung. Viel Zeit zum Staunen bleibt mir nicht, die Menge zieht mich mit. Der erste Kilometer kommt mir unendlich vor, über Kopfsteinpflaster, Rasen und Asche stolpere ich eher als das ich laufe. Trotzdem kann ich den einen oder anderen sogar noch überholen. Das ist der Vorteil, wenn man fast als Letzter startet.
Die Zuschauer nehme ich so nebenbei wahr, eine tolle Stimmung. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass es auf der Laufstrecke auch Hügel gibt, falls nicht, so ist das jetzt ab sofort amtlich. Wie ich die nächsten Kilometer mit meinen Gummibeinen noch schaffen soll, weiß ich nicht. Wie habe ich das früher eigentlich geschafft. Die Leichtfüßigkeit der Jugend ist dem Stampfen des Alters gewichen. Nach den ersten Kilometern wurde uns im Übrigen klar, warum wir bisher für unsere Verhältnisse sehr flott unterwegs waren: Rückenwind!
Jetzt aber nicht mehr! Auf dem Weg pfiff der Wind ordentlich von vorn, begleitet von Regen, dazu ein leichter Anstieg! Jetzt hieß es Zähne zusammenbeißen. Schnell besann ich mich auf meine westfälischen Wurzeln und machte, was ich daheim immer gemacht habe, eben bei Regen und Wind laufen! Wir sind in einer landwirtschaftlich geprägten Region unterwegs. Zum ersten Mal fällt mir die Misthaufen-Parade auf. Es sieht so aus, als ob die Landwirte extra für uns die riesigen Haufen am Wegrand platziert haben. Ein Lauf für alle Sinne. Auch für den Geruchssinn, und das nicht nur von verschwitzten Läufern.
Problemlos passieren wir Kilometer 20 und nehmen das letzte Drittel in Angriff. Bis jetzt läuft es sehr gut, mein Tempo ist deutlich höher als geplant, hoffentlich halte ich das durch. Es dauert nicht lange, da melden sich auch zum ersten Mal meine Beine. Es sind keine besonders schlimme Schmerzen, doch ich fürchte, dass sich dies noch ändern wird.
Zum Glück gibt es unzählige Anfeuerungsrufe aus dem Publikum für mich halbtoten Läufer. Eine Bodenwelle bringt mich zu Fall und mir ein dickes Knie ein. Jetzt habe ich echt keinen Bock mehr, solche Spaß Läufe sind blöd. Sind das wirklich noch 12 Kilometer bis zum Ziel?
Weiter geht’s, wirklich nur noch ein einziger Kilometer. Die Füße, Knie, Hüfte, ach was eigentlich nicht, wollen längst schon nicht mehr. Seit wann eigentlich? Ich kann nicht mehr, aber aufgeben ist keine Option. Doch die Blöße, auf den letzten Metern bis zum Zielkanal zu gehen, gebe ich mir nicht, mit letzter Kraft schaffe ich den staubigen Weg bis zum Ziel, wo der Verpflegungsstand Getränke, Obst und Brot bereithält.
Die Finisher ankommen zu sehen, das lässt dich nicht kalt. Eine junge Frau hat den ersten Lauf ihres Lebens erfolgreich hinter sich gebracht, sie wurde von ihrer ziemlich besten Freundin auf dem Rad begleitet. Sowas nehmen nur echte Freundinnen auf sich. Die Mutter wartet im Ziel, alle umarmen sich, es fließen Freudentränen.
Ein Blasenpflaster könnte ich jetzt auch noch gebrauchen. Mein aufgeschlagenes Knie verursacht bedauernswerte Bewunderung bei einigen meiner Kollegen. Meine Liebste kommentiert ein: „Na ja, Hauptsache durch!“ Trotzdem bin ich ein ganz kleines bisschen stolz. Und natürlich wird das nicht mein letzter Lauf bleiben. Laufen ist nämlich überhaupt nicht blöd.
Das war mein heutiger Tag, er war anstrengend, aber schön. Morgen wird er bestimmt noch Gesprächsthema in der Redaktion sein. Ich lege nun meine Füße hoch und ich bin nun gespannt, was andere am heutigen 12. Oktober so gemacht haben. Dazu verlinke ich meinen Beitrag noch rüber zu Caros Blog „Draußen nur Kännchen“. Caro betreut das Projekt und sammelt allmonatlich als Linkliste die Meldungen anderer Blogger/Innen. Wer sich auch einmal in anderen #12von12 Tagesabläufen umgucken möchte… die gemeldeten Blogeinträge werden hier gesammelt. Danke Caro für Deine große Mühe.
Das kommt im November:
