Stresemanns Ganz normal

Seeger, gib mir ne Lowine! Wassen los?

Kennt ihr „Masematte“?

In Münster geschah so es im 19. Jahrhundert – und immer noch pflegt die Hauptstadt Westfalens mit Stolz dies erdachte Idiom. Es heißt „Masematte“.

Der Name hat nichts mit irgendeiner Auslegeware zu tun, sondern kommt von hebräisch Masa ‘umatán und bedeutet „Verhandlung“. Gemeint sind die Geschäftsgespräche der Hilfsarbeiter, Vieh-händler, Kleinhandwerker und Hausierer in vier münsterschen Stadtteilen, die heute „soziale Brennpunkte“ heißen würden – die Bürgerschaft bedachte sie mit Sprüchen wie „Tasche, Brink und Ribbergasse: Messerstecher erster Klasse“.

Viele Bewohner dieser Viertel waren Juden, Sinti und Roma, und sie vermengten das Deutsche mit Vokabeln ihrer eigenen Sprachen – nicht nur, um bei ihrem (nicht immer ganz koscheren) Tun von Fremden nicht verstanden zu werden, sondern auch wegen des besseren Zusammengehörigkeitsgefühls. Solche „Sondersprachen“ sind für Experten nichts Neues; weltgeschichtsweit sind etliche Fälle bekannt. Das Besondere ist: In Münster erfasste es keine einzelne Gruppe, sondern ein ganzes Milieu; es wuchs zu seltener Perfektion; und es blüht (in gewissen Grenzen) bis heute.

„Masematte“ – Was ist das?

Knapp 500 spezielle Wörter machen das Erscheinungsbild der Masematte aus. Viele entstammen dem Rotwelschen oder dem Jiddischen, sind von dort her auch ins Deutsche eingegangen und scheinen daher bekannt: Maloche etwa, meschugge und Mischpoke, labern oder ausbaldowern. Der Unterschied: Im Deutschen sind sie Außenseiter, in der Masematte Normalfall.

Außerdem kommen Begriffe hinzu, von denen selbst der kiezeste Slang-Freak nie gehört hat. Anim (Mädchen). Seeger (Mann). Lowine (Bier). Schockelamai (Kaffee). Tacko (schnell). Scharett (Bahnhof). Strehle (Straße). Schmusen (sprechen). Rackewele (Sprache). Bendine (Gegend). Maschemau (Donnerwetter!). Laulone (nichts). Und, und, und; das „Große Wörterbuch“ hat 330 Seiten. Als Trägermasse dient ein westfälisch gefärbtes Deutsch voller „auffe“, „kannsse“ und „hömma!“.

Ein genaues „Masematte“-Wörterbuch findest du hier 

Und wenn du etwas in „Masematte“ lesen möchtest, dann lies hier weiter:


Da war der Venti doch kolone

Masemattiges um ein kurantes Anim und um eine Examensarbeit

Der Osnik schmuste fast fünf, als Venti in seine Stammkneipe teilachte. Es war Freitag, die Firma hatte gelöhnt und Venti hatte lang Schotter inne Chatte.

„Los, Kower“, schmuste er, „tu mich mal nen Quinie und ne Lowine.“ Venti hatte nen schoflen Bran – wie alle Speissmakeimer nach de Maloche.

Nachdem Venti auch noch nen Flattermann achilt hatte, steckte er sich ne Fluppe ins Ponum, bestellte noch ne Lowine und war hamel zufrieden. Wenn man die ganze Woche ne Lapane inne Feme gehabt hat, muss man sich mal einen hinter die Weste plästern.

Als der Schauter neben ihm plötzlich mit Stielaugen zur Tür knispelte, drehte sich auch Venti um. Und was dibberte er da? Schemmt da doch tatsächlich ne Kaline solo in de Kaschemme und tigert schnurstracks zum Tresen. Venti bekneisterte die Schickse von oben bis unten und pfiff dann stikkum durch die Zähne: Ein kurantes Anim! Jovle Zomen, toften Tokus und nen schukker Köning inne Bluse.

Venti wurde schon ganz kribbelig, aber dann latschte das Romdi an die andere Seite vom Tresen, wo son paar Schnösel standen, die er nicht riechen konnte. De eine Knilch, so‘n Figinenköster, der immer mit seinem Zaster rumstrunzte, labberte die Geue auch gleich vonne Seite an. Und auch der andere Freier schäkerte mächtig los. Aber die Kaline hatte mit den Mackers nicht viel am hute und liess sie abblitzen.

Venti schmergelte sich einen. Und dann legte er sich selbst ins Zeug. „He Kower“, schmuste er, „tu den Anim ma ne tofte Lowine.“ Da fing die Schickse doch tatsächlich an zu strahlen wie der Lorenz. „Hallo Seeger“, schmuste sie, „du besch ja ne jovle Rackevele.“ Und während Venti staunend dibberte, teilachte die Kaline quer durch die Kneipe und setzte sich neben ihn. „Prost Kumpel“, schmuste sie, und becherte die Lowine wie Pani.

Vente wurde reineweg nervlo. „Maschemau“, dachte er, „die Sache bescht ja hamel tofte.“ Venti bestellte noch zwei Lowinen, rackewelte vonne Maloche und von sein Wuddi. Als der Kower die Kaschemme schließlich dicht machte, war Venti hamel schicker. Und er hatte sonne Zerche, als könne er die Kaline abschleppen. „Ich habe noch ne schawele Schabau im Beis“, schmuste er, „willste nich noch mitschemmen – einen picheln?“

Doch die Schickse verneinte und rackewelte plötzlich hochdeutsch: „Ich bin nicht zum Trinken hierher gekommen – sondern weil ich eine Examensarbeit über Masematte schreibe …..“

Willkommen

Hier findet ihr Geschichten aus dem Alltag. Eben menschlich und ganz normal. Berühmt werden wollen wir mit diesem Blog nicht, sondern euch darüber informieren, was uns ein-, auf- oder überfällt.

Dieser Blog ist ein kleines Experiment, nicht nur dann, wenn er funktioniert, sondern auch dann, wenn er gelesen wird. Wir sagen „Danke“ dafür.

Mehr über den Blog und über uns unter: „Das Team dieses Blogs“

Unser Tipp des Monats April 2023

Special

Willkommen!

Hier findet ihr Geschichten aus dem Alltag, eben menschlich und ganz normal. Berühmt werden wollen wir mit diesem Blog nicht, sondern euch darüber informieren, was uns ein-, auf- oder überfällt.

Dieser Blog ist ein kleines Experiment, nicht nur dann, wenn er funktioniert, sondern auch dann, wenn er gelesen wird. Wir sagen “Danke” dafür.

Mehr über den Blog und über uns unter: “Das Team dieses Blogs”

Ausgesuchte Beiträge:

Special:

Die beliebtesten Beiträge

%d Bloggern gefällt das: