Warum stehen Religion und Sexualität so oft im Widerspruch zueinander? Zwischen kirchlicher Lehre und Realität besteht seit jeher eine scheinbar unüberbrückbare Differenz. Dies ist kein neues Phänomen, sondern begleitet die Religions- und Sittengeschichte des Christentums von Beginn an. Nicht zuletzt wegen der aktuellen Diskussion um sexuellen Missbrauch in der Kirche steht deren Sexuallehre heute mehr denn je in der Kritik. Was gegenwärtig offen diskutiert werden kann, wurde früher versteckt bis offensichtlich in der Kunst verhandelt und konfrontiert uns mit buchstäblich nackten Tatsachen.
(1472-1553), Werkstatt
Schlummernde Quellnymphe um 1537
©Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie de Besançon,
Foto: Arcanes
Herkules am Scheideweg um 1704
©Musei Civici di Belluno, Palazzo Fulcis, Belluno
Reinheit und Enthaltsamkeit, Begierde und Lust, eheliche Pflichten und Fruchtbarkeit, Gewalt und Verletzung: Im scheinbar dogmatischen Rahmen christlicher Bildsprache verbirgt sich eine Fülle an menschlichen Sehnsüchten und Fantasien. Immer wieder haben Künstlerinnen und Künstler die Grenzen des Darstellbaren ausgelotet, um einerseits Sinnlichkeit und Erotik, andererseits Doppelmoral und Scheitern ins Bild zu setzen. Ob spielerisch, lustvoll oder tragisch; der Blick auf den Menschen – etwa in biblischer Erzählung, Heiligenlegende oder antiker Mythologie – wurde seit jeher facettenreich, mehrdeutig und mutig ins Bild gesetzt.
Die Heiligen Kajetan von Thiene
und Maria Magdalena um/vor 1640
©Diözesanmuseum Freising, Foto: Walter Bayer
Allegorie der Keuschheit 1479/1480
©Institut de France, Musée Jacquemart-André, Paris
Die Ausstellung „Verdammte Lust! Kirche. Körper. Kunst“. fordert uns zur Auseinandersetzung mit diesem Spannungsfeld zwischen Kunst und kirchlicher Moral auf. In acht Kapiteln stellt sie den Menschen als sexuelles Wesen einem theologischen Ideal gegenüber, die unreine fleischliche Begierde der reinen Hingabe an Gott.
(1472-1553), Werkstatt
Herkules am Hofe von Omphale 1535
©Statens Museum for Kunst, Kopenhagen
Entrückung der hl. Maria Magdalena um 1650
©Collezione Gastaldi Rotelli, Foto: Diego Brambilla, Mailand
Einzigartige Kunstwerke von der Antike bis in das frühe 19. Jahrhundert, von Leonardo da Vinci über Tintoretto und Cranach bis hin zu Artemisia Gentileschi und Guido Reni zeigen das schwierige Verhältnis von Sexualität und Kirche. Ansprüche und Wirklichkeit sowie gesellschaftliche und religiöse Wertvorstellungen werden subtil bis entlarvend hinterfragt. Damit beteiligt sich das Diözesanmuseum Freising an einem aktuellen Diskurs, der so herausfordernd wie unumgänglich ist.
Diözesanmuseum Freising
Domberg 21
85354 Freising
Telefon 089 213 77 42 40
Das Museum ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
